Das Jugoslawien-Tribunal
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Infografik Nr. 615525
Angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen, die in den jugoslawischen Teilungskriegen seit Anfang der 1990er Jahre begangen wurden, beschloss der UN-Sicherheitsrat 1993 die Errichtung eine ...
Angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen, die in den jugoslawischen Teilungskriegen seit Anfang der 1990er Jahre begangen wurden, beschloss der UN-Sicherheitsrat 1993 die Errichtung eines internationalen Strafgerichts, das diese Verbrechen ahnden sollte. Der Sicherheitsrat handelte damit gemäß Kapitel VII der UN-Charta zur Abwehr einer Bedrohung des internationalen Friedens. Aufgabe des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien war es, Täter und Auftraggeber der seit 1991 in Jugoslawien begangenen Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Seine Zuständigkeit erstreckte sich auf vier Arten von Verbrechen: • den Bruch der Genfer Konventionen von 1949 (vor allem durch zielloses Töten, durch Folter, Geiselnahme, Deportation und willkürliche Zerstörung fremden Guts), • die Verletzung der internationalen Kriegsregeln (z.B. durch militärisch sinnlose Zerstörung von Städten oder Dörfern, Kultstätten und Kulturdenkmälern), • Völkermord, d.h. Verbrechen, welche die Vernichtung einer Gruppe der Gesellschaft zum Ziel haben, und schließlich • die an der Zivilbevölkerung begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Mord, Gefangennahme, Verschleppung, Folter, Vergewaltigung usw.). Zur Frage der Verantwortlichkeit stellten die Statuten des Gerichtshofs ausdrücklich fest, dass kein Beteiligter die Schuld von sich abwälzen kann – weder als Befehlsempfänger noch als planender „Schreibtischtäter“. Auch eine offizielle Funktion, und sei es als Staatschef, schützte nicht vor Strafverfolgung.
Das Kriegsverbrechertribunal hatte seinen Sitz in Den Haag. Es bestand aus drei Kammern der ersten Instanz, die sich aus je drei Richtern zusammensetzen, und einer Berufungskammer mit fünf Richtern. Die insgesamt 14 Richter unterschiedlicher Nationalität wurden von der UN-Generalversammlung auf Vorschlag des Sicherheitsrats gewählt. Als besonderes, unabhängiges Organ des Gerichtshofs war ein vom Sicherheitsrat ernannter Ankläger für die Verfolgung der mutmaßlichen Täter zuständig.
Nach 24 Jahren Arbeit und fast 11000 Prozesstagen wurde das Haager Tribunal zum Ende des Jahres 2017 offiziell geschlossen. Von den 161 Angeklagten wurden 90 verurteilt. Prominenteste Fälle waren die des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milošević (der allerdings 2006 vor Prozessabschluss verstarb), von Radovan Karadžić, früherer Präsident der bosnischen Serben und mitverantwortlich für das Massaker von Srebrenica, und von General Ratko Mladić, dem Hauptverantwortlichen für Srebrenica. Das Haager Gericht diente dem Ad-hoc-Tribunal für Ruanda (1994-2015) und dem Sondergerichtshof für Sierra Leone (2002-2013) als Vorbild und führte zur Einrichtung des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs (2002).
Ausgabe: | 01/2018 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |