Finanzlage der öffentlichen Haushalte in der EU
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Infografik Nr. 715542
Die europäischen Haushaltsregeln verlangen, dass die jährliche Neuverschuldung eines EU-Mitgliedstaates nicht über 3% und der Schuldenstand des öffentlichen Haushalts nicht über 60% des Bruttoinlandprodukts hinausgeht. Eine „auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand“ hatte schon der Vertrag von Maastricht (1993) als Kriterium für den späteren Beitritt zum Euro-Währungsraum festgelegt. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 stellte noch weiter gehende finanzpolitische Ziele auf: Er verpflichtete die EUMitgliedstaaten, auf mittlere Sicht einen nahezu ausgeglichenen Gesamthaushalt zu erreichen oder gar Überschüsse zu erzielen. Damit sollten sie genügend Spielraum gewinnen, um normale Konjunkturrückschläge auch ohne Überschreiten der Defizitschwelle von 3% des BIP bewältigen zu können.
Mit der Einhaltung dieser Regeln taten sich manche EU-Länder aber schwer. Sie lebten weiterhin über ihre Verhältnisse und finanzierten einen zu hohen Anteil ihrer Ausgaben auf Pump. Das rächte sich in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009/10, als die Staatseinnahmen wegbrachen und gleichzeitig hohe Ausgaben geleistet werden mussten. Die Krise vertiefte sich zur europäischen Staatsschuldenkrise. Fünf Euro-Länder mussten mit internationaler Hilfe vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden. Parallel dazu erweiterte die EU ihr Regelwerk, mit dem sich die Mitgliedstaaten zu strengerer Haushaltsdisziplin verpflichteten.
Wiesen 2012 noch 17 der heutigen 27 EU-Mitglieder ein Finanzierungsdefizit von mehr als 3% des BIP auf, so entspannte sich die Lage in den folgenden Jahren allmählich. 2020 durchkreuzte aber die Corona-Pandemie alle Haushaltsplanungen. Während die Wirtschaftsleistung und damit die öffentlichen Einnahmen einbrachen, mussten die Staaten massive Ausgabenprogramme zur Stützung der Wirtschaft und der Gesundheitssysteme und zur sozialen Abfederung der Krise auf den Weg bringen. Ausnahmslos alle Staatshaushalte gerieten in die roten Zahlen; das durchschnittliche Haushaltsdefizit der EU-Mitgliedstaaten stieg 2020 auf rekordhohe 6,8 % des BIP. Wegen des pandemiebedingten „schweren Wirtschaftsabschwungs“ beschlossen Rat und Kommission, die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitätspakts anzuwenden und die Defizitregeln vorübergehend außer Kraft zu setzen, um auf die Situation flexibel reagieren zu können. 2021 verbesserte sich die Lage etwas; das durchschnittliche Defizit verringerte sich von 6,8 auf 4,7% des BIP, der durchschnittliche Schuldenstand am Jahresende sank von 90,0% (2020) auf 88,1% (2021). Ein durch gemeinschaftliche Kreditaufnahme finanzierter EU-Aufbauplan soll bis 2026 dafür sorgen, dass alle – auch die hochverschuldeten – Mitgliedstaaten durch Zukunftsinvestitionen aus der Krise finden.
Ausgabe: | 06/2022 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |