Steuerflucht

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Es gibt kaum ein Land, in dem nicht über multinationale Unternehmen geklagt wird, die sich ihren steuerlichen Verpflichtungen entziehen, indem sie Steuerschlupflöcher ausnutzen und Gewinne in sogenannte Steueroasen verschieben! Aber nach wie vor fehlt die Bereitschaft zu internationalen Absprachen, die solche Praktiken verhindern. Auch die Industrieländer-Organisation OECD, die sich seit Jahren dem Kampf gegen die Steuerflucht verschrieben hat, kann darin keine großen Erfolge vorweisen.

Bisher ließ sich nur grob abschätzen, welche Verluste den staatlichen Steuersystemen dadurch entstehen, dass Unternehmen ihre Gewinne oft nicht dort versteuern, wo sie erzielt worden sind. Tax Justice Network, eine internationale Nichtregierungsorganisation, veröffentlichte nun erstmals eine Studie, die für jedes Land die entgangenen Steuereinnahmen vorrechnet. Dem Bericht zufolge belaufen sich die Steuerausfälle weltweit auf 427 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Davon sind 245 Mrd $ auf die Steuervermeidungspraktiken von Unternehmen zurückzuführen und 182 Mrd $ auf reiche Privatpersonen, die einen Teil ihrer Einkünfte verschleiern. Mit Steuerausfällen von 89,3 Mrd $ sind die USA das am stärksten betroffene Land. Nach Großbritannien (mit 39,6 Mrd $) folgt schon auf dem dritten Rang Deutschland, dessen Staatskasse pro Jahr um 35,1 Mrd $ gebracht wird. Die Studie lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass die betroffenen Staaten diesen Verlusten oft selbst Vorschub leisten, indem ihre Steuergesetzgebung große Schlupflöcher lässt. Hinzu kommt: Diese Staaten sind in der Regel nicht nur Opfer internationaler Steuervermeidung, sondern zugleich auch Täter, die mit ihren nationalen Steuerregeln anderen Staaten Schaden zufügen. So zum Beispiel, wenn sie – im internationalen „Steuerwettbewerb“ – Vorteile für große Unternehmen
einräumen. Es überrascht dann nicht mehr, dass in der Liste der zehn Länder und Territorien, die den größten Steuerschaden stiften, auch drei EU-Länder (die Niederlande, Luxemburg und Irland) auftauchen. Weit an der Spitze stehen aber die Cayman-Inseln, die anderen Ländern Steuerverluste von allein 70 Mrd $ bereiten, vor Großbritannien mit 42 Mrd $. Das „britische Spinnennetz“, nämlich Großbritannien mitsamt seinen Überseeterritorien, ist laut Tax Justice Network sogar für mehr als ein Drittel aller Steuerausfälle (160 Mrd $) in der Welt verantwortlich.

Von den jährlichen Steuerverlusten gehen 383 Mrd $ zu Lasten der Länder mit höherem Einkommen, „nur“ 45 Mrd $ betreffen Länder mit niedrigerem Einkommen. Im Verhältnis zu den Steuereinnahmen fällt der Verlust für diese ärmeren Länder aber viel stärker ins Gewicht.

Ausgabe: 04/2021
Produktformat: Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei.
Reihe: 53
Reihentitel: Zahlenbilder
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