Trilog: EU-Gesetzgebung auf kurzem Weg
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Infografik Nr. 715423
Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU sind Parlament und Rat gleichberechtigt. Ein Rechtsakt kommt nur zustande, wenn sie sich einigen. Um Zeit zu sparen, sucht man in einem informellen Verfahren schon frühzeitig nach Möglichkeiten eines Kompromisses. Aber das ist nicht unproblematisch.
Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU, wie es im Vertrag von Lissabon festgelegt wurde, hat die Kommission mit wenigen Ausnahmen das Vorschlagsrecht für einen neuen Rechtsakt. Das Europäische Parlament und der Ministerrat, der die EU-Mitgliedstaaten repräsentiert, entscheiden dann als gleichberechtigte Gesetzgeber über die Annahme, Abänderung oder Ablehnung des Rechtsaktes. Gehen die Standpunkte von Parlament und Rat dabei weit auseinander, kann bis zum Abschluss des Verfahrens viel Zeit vergehen. Da der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens in Art. 294 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU nur allgemein vorgegeben ist (siehe auch ZAHLENBILD 715 420), hatten Parlament und Rat einen gewissen Spielraum für die konkrete Ausgestaltung in ihren Geschäftsordnungen. Zudem sprachen sich beide Seiten darüber ab, wie das ordentliche Gesetzgebungsverfahren abgekürzt werden kann: durch informelle Verhandlungen, in denen Parlament und Rat unter Beteiligung der Kommission nach Möglichkeiten eines Kompromisses suchen.
Nach Art. 294 AEUV findet erst vor der dritten Lesung ein formeller Trilog zwischen den drei Organen statt: Gehen die Standpunkte von Parlament und Rat zu einem Gesetzesprojekt nach der zweiten Lesung noch auseinander, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen, der nach einer Einigung sucht. Gelangt man dort zu einem Kompromiss, dem beide Gesetzgeber in dritter Lesung zustimmen, ist der Rechtsakt angenommen. In der Praxis finden die auf einen Kompromiss abzielenden Verhandlungen aber schon vor der ersten Lesung, gegebenenfalls auch noch vor der zweiten Lesung, in Form eines informellen Trilogs statt. Die große Mehrzahl der ordentlichen Gesetzgebungsverfahren wird auf diese Weise schon in einem frühen Stadium beendet.
Diese Praxis wird von vielen Beobachtern als problematisch angesehen, denn sie verlagert die Auseinandersetzung um die beste Lösung aus dem öffentlichen Raum in die nichtöffentlichen Treffen im „Hinterzimmer“. Von dem, was dort im kleinen Kreis besprochen wird, dringt nichts an die breite Öffentlichkeit. So bleibt auch verborgen, ob möglicherweise „deals“ ausgehandelt werden, nach denen einmal das Parlament, ein anderes Mal der Rat nachgibt. Kritiker halten diesen Mangel an Transparenz für demokratiewidrig. Sichtbar wird erst das Ergebnis: Haben sich die Delegationen unter Vermittlung durch die Kommission auf einen Kompromiss verständigt, erstatten sie Bericht bei ihren Institutionen. Abschließend müssen das Plenum des Parlaments und der Rat dem Kompromiss formell zustimmen.
Ausgabe: | 10/2024 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |